Stellungnahme zum Gesetzesentwurf HosPalFG

Stellungnahme des Dachverbandes Hospiz Österreich

an das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
zum Entwurf des Hospiz- und Palliativfondsgesetzes – HosPalFG

Der Dachverband Hospiz Österreich hat zum vorliegenden Gesetzesentwurf, der die Einrichtung eines Fonds zur Unterstützung der modular abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung im Langzeitpflege- und -betreuungsbereich ab dem Jahr 2022 vorsieht, eine Stellungnahme erarbeitet und diese dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am 19. November 2021 übermittelt.

Arbeitsgruppe (alphabetisch):
Dr. Karl W. Bitschnau MAS, MMag. Christof Eisl, Dr. in Christina Grebe MSc, Mag. Werner Mühlböck MBA, Mag.a Claudia Nemeth, Mag.a Leena Pelttari MSc, Sonja Thalinger MSc und Dr.in Karin Zoufal.

Geschäftszahl 2021-0.726.195
Der Dachverband Hospiz Österreich bedankt sich beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz für die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zum Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem ein Hospiz- und Palliativfonds eingerichtet wird und Zweckzuschüsse an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung im Langzeitpflege- und -betreuungsbereich ab dem Jahr 2022 gewährt werden (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG). Wir kommen dieser Einladung gerne nach und übermitteln unsere dahingehenden Anmerkungen.

Hospiz Österreich ist der Dachverband von rund 390 Hospiz- und Palliativeinrichtungen für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Ordentliche Mitglieder des Dachverbandes sind die landeskoordinierenden Hospiz- und Palliativorganisationen Österreichs, Institutionen, und Bildungseinrichtungen aus dem Hospiz- und Palliativbereich in allen Bundesländern. Überregionale Mitglieder sind die Caritas Österreich, die Diakonie Österreich, MOKI Österreich, das Österreichische Rote Kreuz und die Vinzenz Gruppe. Als österreichweite Kompetenz- und Beratungsstelle übernimmt Hospiz Österreich seit 1993 die bundesländerübergreifende Gesamtkoordination. Ziel der Bemühungen des Dachverbandes ist es, den schwerkranken und sterbenden Menschen in Österreich eine hohe Lebensqualität bis zuletzt zu ermöglichen und An- und Zugehörige zu entlasten. Der Dachverband Hospiz Österreich ist gemeinnützig, überparteilich und überkonfessionell.

Mit dem Entwurf des Hospiz- und Palliativfonds-Gesetzes liegt nun die Grundlage vor, auf deren Basis der Vollausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in den nächsten Jahren umgesetzt werden kann. Hospiz Österreich ist als Dachverband der Hospiz- und Palliativeinrichtungen erfreut, dass nach vielen Jahren der Diskussionen, Überzeugungsarbeit und des Einforderns dieser große und wichtige Schritt gesetzt wird. Schließlich geht um die Interessen der schwerkranken, sterbenden und trauernden Menschen in Österreich, sowie um deren An- und Zugehörige. Sie haben erstmals Aussicht, künftig in ganz
Österreich eine gleichwertige, zugängliche, erreichbare sowie leistbare Hospiz- und Palliativversorgung vorzufinden. Der Bund, die Bundesländer und die Sozialversicherung tragen dafür Sorge, dass die dafür notwendigen Strukturen und Einrichtungen vorgehalten werden.

Umsetzung mit Rücksicht auf das Gewachsene
In den letzten 25 Jahren sind dank des unbeugbaren Engagements vieler Menschen und Organisationen und dank der Spendenbereitschaft in der Bevölkerung und der Unterstützung von Sponsoren viele Einrichtungen für Palliativ-Patient*innen geschaffen worden. Mangels Finanzierungsbeiträgen der öffentlichen Hand sind regional sehr unterschiedliche Finanzierungsmodelle entstanden. Erst das neue Hospiz- und Palliativfondsgesetz schafft die Möglichkeit einer einheitlichen und zuverlässigen Finanzierung durch die öffentliche Hand. Gleichwohl gilt es in der nächsten Entwicklungsphase mit Bedacht vorzugehen, um Gewachsenes nicht zu schädigen und das nach wie vor stark ausgeprägte Engagement einzubremsen. Das wäre insbesondere der Fall, wenn überbordende bürokratische Anforderungen (z.B. die Dokumentationsanforderungen §§ 9, 10 und 11; Tarifgestaltung und Abrechnungsmodi) und einengende Vorgaben die
notwendigen Spielräume verantwortungsvoller Arbeit für die Betroffenen beeinträchtigen würden.

Wir ersuchen den Gesetzgeber daher, in der Ausgestaltung des Gesetzes darauf Rücksicht zu nehmen. In Folge kommt es dann den Verantwortlichen im Bund, in der Sozialversicherung und in den Ländern zu, entsprechend umsichtig vorzugehen. Darauf wäre insbesondere bei der Planung (§§ 7 und 9) und bei der Tarifgestaltung (§8) Rücksicht zu nehmen. Oberstes Ziel ist, dass möglichst viel von den zur Verfügung gestellten Mitteln bei den Palliativ-Patient*innen und ihren An- und Zugehörigen ankommt, und möglichst wenig davon für Administration verwendet werden muss.

Hospiz- und Palliativversorgung für alle, die es brauchen

Verbesserung in der Grundversorgung
Ein großer Teil der Palliativ-Patient*innen wird in Einrichtungen der Grundversorgung betreut. Der Gesetzesentwurf benennt die Grundversorgung zwar im Rahmen der Definitionen (§2 (3 und 4)) nicht jedoch, wenn es um die Mittelverwendung geht (§4). Zudem entspricht die Definition der Grundversorgung in §2 (3) nicht der im Rahmen der Hospiz- und Palliativversorgung gängigen Definition, jene in den Erläuterungen ist eindeutig und korrekt. Gemäß dieser zählen zur Grundversorgung: die häusliche Versorgung, Alten-, Pflege- und Betreuungseinrichtungen und Akutkrankenhäuser (ausgenommen Palliativstationen).

Der Dachverband Hospiz Österreich ersucht um Klarstellung dieses Punktes und um Sicherstellung, dass bestehende Projekte zur Verbesserung in der Grundversorgung wie Hospizkultur und Palliative Care im Pflegeheim (HPCPH), HPC Mobil und HPC im Krankenhaus (im Aufbau) sowie HPC in Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen (in Planung) sowie Entlastungspflege bei pädiatrischen Palliativ-Patient*innen künftig aus Mitteln des Hospiz- und Palliativfonds gefördert werden. Dafür ist in den Bestimmungen des Gesetzes (z.B. §4) Sorge zu tragen.

Unabhängig von Grunderkrankung
Die Hospiz- und Palliativversorgung hat sich aus der Sorge um und für onkologische Patient*innen entwickelt. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich herausgestellt, dass auch Patient*innen mit anderen Grunderkrankungen vom Angebot der Hospiz- und Palliativversorgung profitieren und diese Art von Versorgung brauchen, um ein gutes Leben bis zuletzt führen zu können. Daher ist dafür Sorge zu tragen, dass alle, die es brauchen, Zugang zur Hospiz- und Palliativversorgung haben – unabhängig von der zugrunde liegenden Grunderkrankung.

Die Finanzierung ALLER Versorgungsangebote muss kostendeckend sichergestellt sein.

Es gilt, alle Versorgungsangebote der modular abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung für Erwachsene und für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu finanzieren und auch in Zukunft bedarfsdeckend sicher zu stellen.

Hospiz Österreich als starker Partner für Planung, Qualitätsentwicklung und Interessensausgleich

Das Hospiz- und Palliativfondsgesetz beabsichtigt, „das derzeit auch spendenbasierte System“ „zu einem durch die öffentliche Hand geförderten System“ weiterzuentwickeln, das die Einhaltung von Mindeststandards sichert“ (vgl. Kurzinformationen zum Hospiz- und Palliativfondsgesetz). Dazu ist zu sagen, dass der Dachverband Hospiz Österreich seit mehr als zwei Jahrzehnten verbindliche Standards für die Hospiz- und Palliativversorgung entwickelt und weitere essenzielle Aufgaben im Bereich der Hospiz- und Palliativversorgung österreichweit erfüllt. Die derzeitigen Aufgabenbereiche des Dachverbandes Hospiz Österreich im Überblick:

Beratungs- und Kompetenzzentrum für Hospiz- und Palliativarbeit und innovative Projekte
• in der spezialisierten Versorgung für Erwachsene
• in der spezialisierten Versorgung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
• in der Grundversorgung (Alten- und Pflegeheime, mobile Betreuung zuhause, Krankenhaus und für Menschen mit Behinderung)
• in der Bildung

Öffentlichkeitsarbeit und Informationsbroschüren
z.B. www.hospiz.at, www.kinder-hospiz.at, Angehörigenbroschüre „Begleiten bis zuletzt“)

Beratung der österreichischen Bevölkerung
• zu Hospiz und Palliative Care und Trauerbegleitung
• zu Angeboten der Hospiz- und Palliativversorgung
• zu Patientenverfügung
• zu Bildungsangeboten

Koordination einer österreichweit abgestimmten Entwicklung und Vorgangsweise inkl. Kooperation mit Gesundheit Österreich

Österreichweite Vernetzung
• Hospiz- und Palliativorganisationen und Mitarbeiter*innen
• Landeskoordinierende Organisationen
• überregionale Mitglieder: Caritas Österreich, Diakonie Österreich, MOKI Österreich, Österreichisches Rotes Kreuz, Vinzenz-Gruppe

Ansprechpartner für (politische) Entscheidungsträger

Bereitstellung und Entwicklung von Fachexpertise
z.B. Mitarbeit an Rechtsinstrumenten wie der Patientenverfügung und Entwicklung des Vorsorgedialogs

Qualitätssicherung und -entwicklung

Österreichweite Datenerhebung mit Hospiz- und Palliativdatenbank

Leitung des Universitätslehrgangs Palliative Care
gemeinsam mit PMU Salzburg und St. Virgil und Bildungsarbeit

Internationale Zusammenarbeit, Kooperationen und Projekte

Initiierung von Forschungsprojekten

Der Dachverband Hospiz Österreich engagiert sich seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Entwicklung einer hohen Qualität in der Hospiz- und Palliativversorgung und wird sich auch weiter dafür engagieren. Dieses Engagement tangiert im HosPalFG die §§ 6 (Qualitätsmanagement), 7 und 9 (Planung), 8 (Tarife), 10 (Datenerhebung und Statistik) sowie 11 (Berichtswesen, Monitoring und Evaluierung). Wir ersuchen den Gesetzgeber daher, diese Aufgabe des Dachverbandes Hospiz Österreich durch ein starkes Mandat und entsprechende Förderung zu unterstützen.

Zudem ist der Dachverband Hospiz Österreich ein Ort des Interessensausgleichs der Mitgliedsorganisationen und als Vertretung dieser Organisationen eine wichtige Stimme für die Interessen und Anliegen der schwerkranken, sterbenden und trauernden Menschen in Österreich. Diese unverzichtbare Rolle des Dachverbands sollte in den Bestimmungen des Hospiz- und Palliativfondsgesetzes Berücksichtigung finden. Es ist sehr wichtig für die Finanzierung dieser bundesländerübergreifende Gesamtkoordination Sorge zu tragen.

Hospiz- und Palliativbeirat
Wir schlagen vor, einen Hospiz- und Palliativbeirat zu installieren, der die Gesundheit Österreich GmbH bei den Aufgaben, die sich aus diesem Gesetz ergeben, berät und unterstützt und Partner in den bevorstehenden Entscheidungsprozessen ist. In diesem Beirat sollen jedenfalls der Dachverband Hospiz Österreich und die Österreichische Palliativgesellschaft vertreten sein. Ein solcher Beirat bringt Fachwissen im Bereich Hospiz und Palliative Care, Kenntnis der Versorgungslandschaft und der Bedürfnisse von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihrer An- und Zugehörigen ein. Damit wird sichergestellt, dass Festlegungen im Bereich der quantitativen Planung, der Qualität, der Evaluierung etc. nicht ausschließlich von den Financiers definiert werden. Die gewachsene Expertise und das Knowhow sind unverzichtbar für die gute weitere Entwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich. Die Gesundheit Österreich GmbH soll verpflichtend die Zustimmung, zumindest aber die Expertise des Hospiz- und Palliativbeirates zu folgenden Themen einholen: Auf- und Ausbauplanung, Dateninterpretation, Evaluierung, Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren.

Qualifizierung von Mitarbeiter*innen
Neben der Struktur- und Prozessqualität sind es die qualifizierten Mitarbeiter*innen, die für die Qualität der Versorgung stehen und die die Einhaltung von Mindeststandards garantieren. Dies gilt sowohl für hauptamtliche als auch für ehrenamtliche Mitarbeiter*innen der modular abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung. Im Hinblick auf das HosPalFG ist daher sicherzustellen, dass die Qualifizierung von Mitarbeiter*innen wesentlicher Bestandteil der Tarifkalkulationen (bzw. Globalbudgets) sind (§8).

Bildungseinrichtungen für Hospiz- und Palliative Care soll die Möglichkeit offenstehen, Förderungen aus Mitteln des Hospiz- und Palliativfonds zu beantragen. Diese Einrichtungen bilden nicht nur haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen weiter, sondern sind wichtige Multiplikator*innen der Hospiz- und Palliativarbeit in Österreich. Eine zentrale Rolle hat der Universitätslehrgang Palliative Care, der seit 15 Jahren von Dachverband Hospiz Österreich, Paracelsus Medizinische Privatuniversität und St. Virgil organisiert wird. Der 6-semestrige multiprofessioneller Lehrgang (120 ECTS) gliedert sich
in drei Levels: Level 1 bilden die Interprofessionellen Palliativbasislehrgänge, die in 10 Standorten in Österreich angeboten werden. Level 2 bilden die fachspezifischen Lehrgänge und Level 3 ist multiprofessionell mit Schwerpunkt Führungskompetenz und schließt mit MSc. in Palliative Care ab. Es ist sicher zu stellen, dass der Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung mit dem quantitativen und qualitativen Ausbau der Bildung einhergeht.

Zudem ist in der Planung und Finanzierung vorzusehen, dass im Zusammenhang mit der anzustrebenden Verbesserung der Grundversorgung die Qualifizierung von Mitarbeiter*innen und die Förderung von Projekten (HPCPH, HPC-Mobil, etc.) aus Mitteln des Hospiz- und Palliativfonds ermöglicht wird.

Der Vorsorgedialog
In den letzten Jahren hat der Dachverband Hospiz Österreich mit Mitarbeiter*innen aus der palliativen Praxis und namhaften Expert*innen den Vorsorgedialog® als Instrument der vorausschauenden Planung entwickelt, das auch dann noch eingesetzt werden kann, wenn die Patient*innen nicht mehr entscheidungsfähig sind. Dieses Instrument hat auch in den Gesetzesmaterialien zur Patientenverfügung und zur Vorsorgevollmacht Niederschlag gefunden. Daher schlagen wir um der Eindeutigkeit willen vor, die Termini „Vorsorge- und Informationsgespräche“ (§§ 4(5), 9(8) und 10(6)) durch den eindeutigen Begriff Vorsorgedialog® (ggf. Vorsorgedialog lt. Dachverband Hospiz Österreich) zu ersetzen. Intention dieses Instruments der vorausschauenden Planung ist es, mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen, und die Umsetzung des Patient*innenwillens zu ermöglichen.

Gesundheit und/oder Soziales
Ein Wesensmerkmal der Hospiz- und Palliativversorgung ist der ganzheitliche Blick auf die Palliativ-Patient*innen und ihr Umfeld und bedingt daher ganzheitliche Antworten. Im Hinblick auf die Zuständigkeitsbereiche sind sowohl die Bereiche „Gesundheit“ als auch „Soziales“ umfasst. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass die Zuteilung zum einen oder zum anderen Bereich, dieser ganzheitlichen Verantwortung oft zuwider steht. Es ist daher sorgsam darauf zu achten, dass eine gute Kommunikation der beiden Bereiche und ein Commitment im Sinne der Zielvorgaben des Gesetzes sichergestellt wird.

Trauernde
Im Sinn eines ganzheitlichen Konzepts sind Leistungen für Trauernde ein Merkmal in ALLEN Versorgungsangeboten der Hospiz- und Palliativversorgung.

Entwurf HosPalFG-Stellungnahme-DVHÖ (18.11.21)

Ministerialentwurf Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG